Wenn wir Glück haben, ist das Ende eines Satzes der Punkt, an dem wir vielleicht anfangen können.

ocean_2.jpg

“Hast du dir jemals einen Ort ausgedacht”, sagtest du - du warst gerade dabei, ein Thomas-Kinkade-Haus auszumalen -, “und dich dann dorthin versetzt? Hast du dich jemals von hinten gesehen, wie du weiter und tiefer in diese Landschaft hineingehst, weg von dir selbst?”
Wie konnte ich dir klar machen, dass das, was du mir da erzähltest, Schreiben ist? Wie konnte ich sagen, dass wir uns trotz allem so nahe sind, die Schatten unserer Hände auf zwei verschiedenen Seiten ineinander fließen.”


(unsere Hände leer bis auf unsere Hände)


Sie griff nach einer Teekanne und goss gerade so viel Jasmintee über den Reis, dass ein paar Körner in der hell bernsteinfarbenen Flüssigkeit trieben. Wir saßen auf dem Boden und reichten uns abwechselnd die duftende, dampfende Schüssel. Es schmeckte so, wie man sich den Geschmack zerstampfter Blumen vorstellen mag: bitter und trocken, mit einem frischen und süßen Nachgeschmack.


Es gibt ein Wort, von dem mir Trevor einmal erzählt hat. Er hatte es von Buford, der während des Koreakriegs bei der Navy auf Hawaii gedient hatte: kipuka. Das Stückchen Land, das unversehrt bleibt, wenn sich ein Lavastrom einen Berghang hinabwälzt - eine Insel, die dadurch entstand, dass etwas die kleinste Apokalypse überlebt. Bevor die Lava kam und das Moos am Hang versengte, war dieses Stück Land bedeutungslos, nur ein weiterer Streifen in einer endlosen Masse Grün. Nur indem es fortbesteht, verdient es sich seinen Namen.

 

aus
Auf Erden sind wir kurz grandios
Autor: Ocean Vuong
übersetzt aus dem Englischen von Anne-Kristin Mittag


Auf Vietnamesisch ist der Ausdruck für jemanden vermissen und sich an ihn erinnern derselbe: nho. Manchmal, wenn du mich am Telefon fragst: Con nho me khong?, zucke ich zusammen, im Glauben, du meintest: Erinnerst du dich an mich?
Ich vermisse dich mehr, als dass ich mich an dich erinnere.


Man sagt, jede Schneeflocke sei anders - doch der Schneesturm, er hüllt uns trotzdem ein. Ein Freund aus Norwegen hat mir von einem Maler erzählt, der auf der Suche nach dem richtigen Grünton in einen Sturm hinausging und nie wieder zurückkehrte.


In einer Welt, so mannigfach wie der unseren, ist der Blick ein einzigartiger Akt: Etwas anzusehen heißt, dein ganzes Leben, wenn auch nur kurz, damit auszufüllen.


Man sagt, nichts hält ewig, dabei hat man nur Angst, dass es länger hält, als man es lieben kann.

Tut mir leid, dass ich immer Wie geht’s dir? sage, wenn ich tatsächlich meine: Bist du glücklich

 

Zitate von Ocean Vuong
gibt es auch auf der
neuen Postkarten-Serie
P L U N D E R W E I S H E I T E N